Praktische Lösung zur Sinnhaftigkeit des Lebens. Aus dem Maschinenraum #3



Praktische Lösung zur Sinnhaftigkeit des Lebens

„Ohne hinzusehen, den Blick leer zum Fenster gerichtet, worin sich sein Gesicht spiegelte, nahm er ein frisches dunkelblaues Schreibheft aus der obersten Schublade seiner Kommode.

Zuerst verwendete er einen rot schreibenden Kugelschreiber, dann wechselte er zu Bleistiften unterschiedlicher Stärke, zu Tinten- und Buntstiften. Um die Spurenleser, Graphologinnen, Erbinnen und Notare zu verwirren, wenn das möglich war, die sich später einmal dieser Hefte annehmen würden, legte er abwechselnd ein Aluminiumblech, unebene Holzplatten, einen weichen Karton unter, schrieb mit links auf seinem Oberschenkel, bat verschwiegene Freunde um Hilfe und bemühte sich die Zacken seiner Handschrift in unterschiedliche Himmelsrichtungen ausschlagen zu lassen.

Wenn er an jedem Tag zehn Einträge in einem Tagebuch fälschen würde, würde jeder neue Tag ihm zehn vergangene einbringen, binnen weniger Jahre wäre er in seine Kindheit zurück gelangt. Er würde sein Leben von diesem Moment an von hinten aufrollen. Mit der vom Ursprung wegfließenden Zeit in die Vergangenheit zurücktreiben. Seine Vergangenheit, jugendlich aus seinem Kopf geboren, würde der schwerelos schwebenden Gegenwart unvermeidlich ein Gewicht verleihen. Und für die Zukunft, Himmel sei Dank, war auch ein Zweck gefunden.

Er begann zu schreiben:

17. August: Auch erfundene Tage sind nicht immer gut.“

Text, Image: M.Brunner, 2020.

Aus dem Maschinenraum #2